Glücklich sein ist eine Entscheidung
Sonntagmorgen um neun auf dem Crosstrainer im Fitnessstudio wie jedes Wochenende.
Wer mich an diesem Morgen sieht, vermutet wahrscheinlich, ich schaue mir irgendeine Comedy-Show oder zumindest einen ziemlich amüsanten Film an. Mein Lächeln ist bestimmt nicht zu übersehen.
Wie jede Woche zappe ich durch die Programme, um einen Sender zu finden, der mich beim Training inspiriert. Meist bleibe ich bei einer Kochsendung hängen – ok, man kann jetzt über die tiefere Bedeutung nachdenken, muss man aber nicht.
Diesmal ist es keine Kochsendung. Schon mit dem 2. Programm sehe ich nicht nur besser, sondern vor allem eine sehr adrette ältere Dame, die der Moderatorin gerade mit dem Satz „Glücklich sein ist eine Entscheidung“ antwortet. Sie strahlte so eine Freude und Lebenslust aus, dass sie mein Interesse geweckt hat. Mit ihren Aussagen stellt sie viele Vorstellungen auf den Kopf, die das Bild vom älter- oder altwerden vieler Menschen prägen.
Wie stark schreiben wir uns unsere Zukunft selbst? Durch Prägungen und eigene Begrenzungen? Und was ist außerhalb von Hamsterrad und Denkkäfig möglich, in denen wir uns selbst festhalten?
Und es kommen noch mehrere ältere Menschen zu Wort.
Da ist die 78-jährige Karin, die bei ihrer Tour durch den Kletterpark darüber erzählt, dass es die Neugier auf das Leben ist und die Lust, sich auf etwas Neues einzulassen, das sie fit hält. Sie plant, nochmal für eine Zeit in ein Missionsgebiet nach Bolivien zu gehen.
Die fast 80-jährige Gisela, die ihre Firma leitet, die sie mit über 70 gegründet hatte, um ein Produkt auf den Markt zu bringen, das die Welt braucht und das es so noch nicht gab – trotz Widrigkeiten und ohne Unterstützung durch Banken. Und auf einer Messe dafür eine Goldmedaille erhalten hat. Ihr Tipp: Wenn sich jemand für etwas interessiert, soll er losmarschieren.
Der über 90-jährige Herbert, der für die Leichtathletik-Meisterschaften der Senioren in Lahti trainiert und den Moderatoren verschmitzt erzählt: „Mein Ziel ist, mein Leben zu verlängern. Ich will euch überleben“. Und nachdem er dann den ersten Platz um 2 Sekunden verfehlt hat: „Im nächsten Jahr bin ich besser.“
Und Ilse, die mit 85 bei der gleichen Meisterschaft beim Kugelstoßen den 1. Platz gemacht hat.
Was haben diese Menschen gemeinsam? Sie haben die ein oder andere gesundheitliche Einschränkung – genau wie du und ich. Sie haben mit Sicherheit leichte und herausfordernde Zeiten – genau wie du und ich. Weil das Leben einfach so ist – weder dauerhaft Ponyhof, noch immerwährende Sturmflut. Und doch strahlen sie so eine Leichtigkeit und Zuversicht aus.
Ich frage mich: Was können wir von diesen Menschen lernen? Und ich habe Antworten gefunden: Sie leben, was ihre Erfüllung ist und was ihnen Freude bereitet. Das, wofür es sich lohnt, morgens aufzustehen. Sie nutzen ihre Talente und bringen sie nach außen, so dass sie der Welt etwas zu geben haben. Sie haben Mut, glauben an sich und sie haben Ziele. Aber sie haben den Druck rausgenommen. Und sie lassen sich durch Niederlagen nicht entmutigen. Sie verfolgen Ihre Ziele und vergessen dabei nicht, den Augenblick zu leben. Und den Moment so anzunehmen, wie er ist – mit allen Facetten. Dass das in unserer heutigen schnelllebigen und erfolgsgetriebenen Zeit eine Kunst ist, empfinden aus meiner Erfahrung die meisten Menschen so.
Ich bin fasziniert. Was für Vorbilder. Und plötzlich kommt mir meine Mutter in den Sinn. Sie ist keine Leistungssportlerin und nicht im Fernsehen. Aber ihre Backkünste sind schon längst über die einer Hobbybäckerin hinausgewachsen. Was zu erledigen ist, erledigt sie mit dem Radl. Sie ist interessiert und aufgeschlossen für neue Dinge. Mit über 80 hat sie sich mit dem i-phone angefreundet, WhatsAppt und FaceTimed. Sie ist jeden Tag dankbar für das, was sie hat und für das, was geht. Sie lässt sich nicht unterkriegen. Sie hilft uns und unterstützt andere Menschen, hat aber auch gelernt, an sich zu denken und sich selbst eine Freude zu bereiten. Ich sehe so viele Parallelen zu diesen Menschen. Mir kommen die Tränen vor Freude und Dankbarkeit.
Welches Geschenk, so einen Menschen in seiner Nähe zu haben. Manchmal braucht man andere Blickwinkel, um zu erkennen, was man hat.
Danke, Mama!
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